Enthaltsamkeit und himmlische Längen
3. Kammerkonzert
So begeistert der berühmte Geiger Schuppanzigh mit seinem Streichquartett 1824 Schuberts ›Rosamunde Quartett‹ zur Uraufführung brachte, so irritiert war er vom d-Moll-Quartett. Ist es in ersterem nur ein subkutanes Brodeln, das die lyrische Schönheit irritiert, so ist die Tonsprache des Schwesterwerks schroff und düster – eine Musik, in der der Tod nicht nur mit dem Zitat aus dem Lied ›Der Tod und das Mädchen‹ allgegenwärtig ist, sondern vielmehr die gesamte Komposition ein Totentanz ist. Schubert liebte die ›himmlischen Längen‹, die ausschwingenden Melodien, das intensive Durchwandern seiner architektonischen Räume.
90 Jahre später schuf Webern mit seinen Bagatellen genau das Gegenteil: Nur vier Minuten dauern die sechs Stücke, Miniaturen von höchster Dichte, für die gilt, was Weberns Lehrer Schönberg über derartiges Komponieren einmal sagte: »Jeder Blick lässt sich zu einem Gedicht, jeder Seufzer zu einem Roman ausdehnen. Aber einen Roman durch eine einzige Geste, ein Glück durch ein einziges Aufatmen auszudrücken: solche Konzentration findet sich nur, wo Wehleidigkeit in entsprechendem Maße fehlt.«